Genista-Verlag
Der Ball ist eine Totalität

  Voriges | Nächstes
 
Jürgen Roth
Der Ball ist eine Totalität

7,50 Euro
ISBN 3-930171-04-X

 

Dieser Titel ist momentan leider nicht lieferbar. Voraussichtlich wird er im Sommer 2003 wieder zu haben sein. Senden Sie uns eine Mail an verlag@genista.de, wenn Sie dann benachrichtigt werden möchten.

Fußball und Philosophie - endlich vereint. 72 Seiten, mit Zeichnungen von Heribert Lenz.

Aus dem Vorwort
von Thomas Gsella (Titanic):

Dies sollte von Anfang an kein dickes Buch werden. Dicke B�cher passen weder in Jacken-, Mantel- oder Hosentaschen, noch kann man sie an einem Nachmittag auslesen.

Dies sollte auch kein schlechtes Buch werden. Schlechte B�cher passen, gerade wenn sie d�nn sind, zwar in Jacken-, Mantel- oder Hosentaschen, aber auch sie kann man nicht an einem Nachmittag auslesen.

Vor allem aber sollte dies kein dickes schlechtes Buch �ber Handball und Gartenbau werden. Denn da gibt es wahrlich genug. Tausende und Abertausende dicker schlechter B�cher zum Thema Handball und Gartenbau liegen auf den Tischen der Caf�s herum, blicken ihrem Vermodern entgegen, nehmen Platz weg und sorgen so f�r einen schleichenden Griesgram der G�ste. - Was also konnte der Autor tun? Er ist hergegangen und hat das einzig M�gliche gemacht: ein d�nnes gutes Buch �ber Fu�ball und Philosophie.

Textauszug:

Künstler auf dem Platz, Spielkultur im Kopf - so ist also kein Blumentopf zu gewinnen, geschweige denn das Bein auf den Boden zu bringen, wenn die "Interaktionen von Fußball und Literatur" (Henscheid) ordentlich herausgearbeitet sein wollen. Der Mythen über die Kunst im Spiel und das Zusammenwirken von Fußball und Dichtung, das Affiziertsein der Theorie durch das Ballgeschiebe seien da zahl- und gehaltreichere als die - zum letzten Mal - abgegriffenen Beltzschen Rumpelsätze. Seit der Fußball 1530 in Florenz erstmals mit voller Stärke die Weltbühne betrat, mühen sich Literaten und Poeten, Diskursforscher und Zitatsammler, Collageure und Bildhauer, Existenztheoretiker und Rhetoren um eine möglichst präzise Abbildung des Spiels auf das ästhetische Gebilde. Bzw. um eine doch meist sublimere Koexistenz beider mit Richtung auf Korrespondenz und Synästhesie.

Deshalb gilt das Augenmerk des Fußball- und Literaturexegeten vornehmlich der Moderne, genauer: ihren feinnervigen Ausläufern, in denen sich der romantische Topos korrespondierender Dingkonstellationen inmitten der Weltgeschehnisse mit ästhetisch engagierter Subjektivität und gewagter Phantasie Bahn bricht. Das wird klar bei Kleist, dem sich unter seinen Augen alles zum Getümmel verwandelte, und Musil und Brecht und Adorno, die die Welt gerne zum Gutteil nach den Gesetzen der ästhetischen Konstruktion gebildet gesehen hätten. Brecht für seinen Teil forderte bekanntermaßen "Mehr guten Sport", weil das in den großen Arenen Finten und Verhaltensformen der Akteure nachvollziehende Publikum sich dergestalt für die taktischen Eingriffe in das Gesellschaftsleben schulen sollte. Wie weit aber die geheime Nachbarschaft von Fußball, Literatur, Gesellschaftstheorie schließlich reicht und der Antizipation, ach was: der Verwirklichung des "anderen" (Musil), "verbesserten" (Brecht) bzw. "ganz anderen und besten" (Adorno) Zustands hic et nunc zum Maßstab gereicht, wird noch zu beweisen sein. Gut möglich zwar, daß besondere Spielmotivationen und Ballmotive schon in der ersten Oper, in den Kopfthemen des Monteverdi-Opus' "Orfeo" (1607) heimlich sich Gewicht, Eindruck und künstlerischen Ausdruck verschafften - gut möglich, aber man weiß es für eine Zeit und ihre Kunstwerke, da die Moderne noch in Holzgaloschen umherlief, nicht so genau. Schon weiter reichen die Kenntnisse, gute 250 Jahre später auf dem Höhepunkt der krisengeschüttelten bürgerlichen Gesellschaft, hinsichtlich des Marxschen Werkes und dessen Fußballinfiltriertheit: In diesem nämlich findet sich mit Sicherheit kein einziger Satz zum Fußball. Ob damit bereits dem Fußballdefizit der nachmaligen marxistischen Theoriebildung und der falschen Indulgenz der herrschenden Köpfe der Arbeiterbewegung entscheidend in die Hände gespielt wurde, dergestalt eine geschichtlich nicht zu unterschätzende Kooperation zwischen Arbeiterklasse und Spielgeschehen mißachtend? Auch diese Frage will zunächst vertagt sein.