Unser Huhn
Das Vielleicht-Bier-Buch

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Über das Saufen

Eine Hilfestellung für Literaten

Lieber besoffen und fröhlich,
als nüchtern und doof.
Arno Schmidt

Die Verachtung des Saufens und der Trunkenboldenhaftigkeit ist leider weit verbreitet. Der Volksmund spuckt aus: "Das ist recht Hudelmanns Gesind, das langsam schafft und trinkt geschwind." Der Hegel-Schüler Karl Rosenkranz gibt kund: "Blödsinn, Verrücktheit, Wahnsinn, Raserei machen den Menschen häßlich. Auch die Betrunkenheit als eine akute, künstlich erzeugte Selbstentfremdung des Geistes gehört hieher." Auguste Forel galt der Trinker als "Pestbeule am gesellschaftlichen Körper." Und Karl Julius Weber setzt noch einen drauf: "Ein Mann mit einem figürlichen Haarbeutel ist nur komisch, aber ein vollendeter Rausch erregt Ekel und Abscheu." Legte nicht jedoch schon der hl. Augustinus fest: "Der Geist kann nicht im Trockenen wohnen?" Und Andre Gide dekretierte assistierend: "Das Furchtbare ist, daß man sich nie genügend betrinken kann." Zum Glück sind eben nicht alle Größen vom guten Geist verlassen. Beide Lessings der Literaturgeschichte z. B. hatten ein überaus gesundes Verhältnis zum Rasuch. Lessing der Jüngere, Theodor also, sagte über die Befindlichkeit im Rausch: "Du bist losgelöst von der Schwere und begreifst die Lüge der Welt, die Lüge, daß der Mensch, der nüchterne, in den Kerkern des Wollens gefangen, jemals richtig sehen könne. Nein! Nicht der Nüchtern sieht die wahrheit, sondern der Berauschte, und nur wer gertunken, weiß das Rechte." Schon Jean Paul hat deshalb gefordert: "Leute von wahren Talenten sollten sich betrinken, um das Leben aus dem rechten Licht zu sehen und es uns nachher zu melden." Womit aber? Da kaum jemand unter den Literaten über K.F. Wanders immens umfangreiches ‘Deutsches Sprichwörterlexikon’ verfügen dürfte, geben wir hier selbstlos eine Auswahl an sprachlichem Spielmaterials zur Beschreibung des Tatbestandes ‘Rausch’. Wir bitten, alles zu lesen und frei, unter Vertilgung eines gehörigen Quantums Bier, darüber zu verfügen, es kostet ja nichts.

Seine Brille ist fett bekümmelt. Er hat sich beschlümpert. Er ist dreiviertel auf halb sieben. Er hat auf einen Bösewicht gesattelt. Er geht, als wenn alle Häuser ihm gehörten. Cunradi, hahl na di. Er riecht nach Fuselbulle. Er will mit den Füßen hebräisch schreiben. Er sieht den Himmel für einen Dudelsack an. Er macht mit Gott und der Welt Schmollis. Er kann nicht mehr über den Bart spucken. Er sieht einen Bauern für eine Erdbeere an. Er sieht aus wie eine Gans, wenns wetterleuchtet. Er hat den Hut auf einem Ohr. Er meint, der Kirchturm wolle ein Menuett mit ihm tanzen. Er hat eine Musterkarte im Leibe. Er trinkt sich einen Pelz, damit ihm der Narr nicht erfriert. Er kann über keinen Span mehr pissen. Die Zunge geht ihm auf Stelzen. Er ist ein Vollzapf. Sausackvoll. Hundspudelvoll. Sternblindhagelvoll. Man kann von einem Advokaten sagen: er appelliert. Von einem Astronomen: er sieht zwei Sonnen. von einem Baumeister: er hat einen Giebel. Von einem Fischer: er hat einen guten Zug getan. Von einem Geometer: er mißt die Straße. Von einem Hundefreund: er hat einen Spitz. Von einem Hausbesitzer: er hat etwas im Oberstübchen. Von einem Jäger: er hat eine gute Ladung. Von einem Kellner: er hat die Reste gesammelt. Von einem Kutscher: er hat gut geschmiert. Von einem Mathematiker: er macht Zirkel. Von einem Schneider: er hat die Jacke voll. Von einem Schriftsetzer: er sieht die Buchstaben doppelt. Von einem Türmer: er weiß, wo die Sauglocke hängt. Von einem Totengräber: er ist begraben.